Wer ist die Generation Z – und warum sollten wir ihr zuhören?
Sie sind digital geboren, voller Ambitionen und trotzdem auf der Suche nach Sinn: Die Generation Z, geboren etwa zwischen 1995 und 2010, ist mittlerweile fest in der Arbeitswelt angekommen – oder auf dem Sprung dorthin. Anders als viele denken, ist ihre Perspektive auf ein erfülltes Leben nicht nur von Selfies, Start-ups und Storys geprägt. Vielmehr zeichnet sie sich durch ein tiefes Bedürfnis nach Sinn, Stabilität und Nachhaltigkeit aus. Was bewegt diese junge Generation wirklich? Und was können wir von ihr lernen?
Ein erfülltes Leben – jenseits von Statussymbolen
Für viele Vertreterinnen und Vertreter der Generation Z ist ein gutes Leben weit mehr als ein dickes Auto oder der schnelle Aufstieg auf der Karriereleiter. Geld ist wichtig, aber nicht das zentrale Ziel. Werte wie Work-Life-Balance, mentale Gesundheit und authentische Selbstverwirklichung stehen hoch im Kurs.
In einer Umfrage des Schweizer Thinktanks “W.I.R.E.” gaben über 70 % der befragten Jugendlichen an, dass ihnen Freizeit und persönliche Entwicklung wichtiger seien als Status oder Besitz. Ein früherer Arbeitsbeginn wird gern in Kauf genommen, wenn das Wochenende dafür länger ist. Und statt Überstunden um jeden Preis zu leisten, wird gefragt: «Bringt mich das weiter – oder macht es mich krank?»
Flexibilität statt Tradition: Das neue Verständnis von Arbeit
Weg vom klassischen 9-to-5 – hin zu einem flexiblen, sinnstiftenden Arbeitsumfeld. Für die Gen Z ist Arbeit kein Selbstzweck, sondern nur ein Teil des Lebenspuzzles. Remote Work, Co-Working Spaces, projektbasiertes Arbeiten: Die neue Arbeitswelt, wie sie sich viele junge Erwachsene wünschen, ist mobil, demokratisch und auf Augenhöhe organisiert. Wer starr denkt, verliert.
Beispiel gefällig? Lara, 24, arbeitet als UX-Designerin für ein GreenTech-Start-up in Zürich. Sie teilt ihre Zeit zwischen der Stadt, dem Homeoffice bei ihren Eltern in Toggenburg und gelegentlichen Reisen durch Europa auf. «Das Gefühl, mich entfalten zu dürfen und trotzdem etwas zu schaffen, das die Welt braucht, motiviert mich jeden Tag», erzählt sie. «Aber wenn ich das Gefühl habe, nur Zahnrädchen im Getriebe zu sein, kündige ich – ohne zu zögern.»
Mentale Gesundheit – ein zentrales Thema
Noch nie war psychische Gesundheit in der öffentlichen Wahrnehmung so präsent. Die Generation Z geht offen mit Themen wie Stress, Angstzuständen und Burnout um. Sie fordert nicht nur mehr Achtsamkeit im Umgang mit sich selbst, sondern auch strukturelle Veränderungen in Unternehmen, Schulen und Politik.
Der zunehmende Leistungsdruck, der Einfluss von sozialen Medien und eine unsichere Weltlage verstärken das Bedürfnis nach innerer Stabilität. Wer heute 20 ist, ist bereits durch Pandemie, Klimakrise und globale Krisenherde geprägt. Kein Wunder also, dass «Resilienz» kein Modewort ist, sondern eine Überlebensstrategie.
So entwickeln sich auch neue Lebensmodelle: Sabbaticals, Therapie als Lifestyle, „Digital Detox“ und Retreats sind längst kein Tabu mehr – sondern gelebter Alltag. Nicht um sich zu isolieren, sondern um Kraft zu schöpfen.
Sinnorientierung ersetzt ökonomische Maxime
Die Frage „Warum mache ich das?“ ist für viele Angehörige der Gen Z essenzieller Bestandteil jeder Entscheidung. Wo früher materielle Sicherheit das Hauptkriterium war, steht heute immer öfter der übergeordnete Zweck im Zentrum.
Junge Menschen investieren ihre Energie bevorzugt in Projekte, die sozialen oder ökologischen Mehrwert stiften. Das schlägt sich auch in der Berufs- und Studienwahl nieder: Social Entrepreneurship, Umwelt- oder Bildungsprojekte haben Hochkonjunktur.
- Lieber ein kleineres Gehalt, aber für eine NGO arbeiten, die wirklich etwas bewegt?
- Lieber Gründerin eines Unverpacktladens als Angestellte in einem Großkonzern?
- Lieber freier Journalist mit klarer Haltung als Redakteur in einer Mainstream-Redaktion?
All das sind Wege, die nicht ins Nichts führen – sondern genau dorthin, wo Sinn gefragt ist.
Digital Natives mit analogem Herz
Die Gen Z ist permanent online – und sehnt sich trotzdem nach Offline-Erlebnissen. Der digitale Überfluss erzeugt eine neue Wertschätzung für das Konkrete, das Handgemachte, das Unperfekte. Flohmärkte sind wieder in, Vinyl erlebt ein Revival und handgeschriebene Karten sind plötzlich ein Statement.
Während KI und Chatbots dabei sind, Kommunikation neu zu definieren, steigt die Sehnsucht nach echten Begegnungen. Die Gen Z nutzt Technologien, filtert aber stärker: Was bringt mir einen Mehrwert? Was kostet mir Lebenszeit? Wer den Feed kuratiert, kuratiert auch das Leben.
Spannend ist: Diese Generation kann stundenlang über Bildsprache auf TikTok diskutieren – und gleichzeitig voller Begeisterung ihre eigenen Tomaten auf dem Balkon züchten. Digitale Skills und Analog-Ästhetik schließen sich nicht aus. Im Gegenteil: Sie verstärken einander.
Nachhaltigkeit als Grundhaltung
“Fridays for Future” war nur der Anfang. Für die Gen Z ist Nachhaltigkeit kein Trend, sondern ein Lebensprinzip. Ökologische Fragen durchziehen alle Bereiche – vom Einkauf im Secondhand-Laden über vegane Ernährung bis hin zur bankeigenen Klimastrategie.
Aber: Die Generation ist nicht naiv. Sie weiß, dass echte Nachhaltigkeit Systemwandel braucht. Deshalb fordern junge Menschen politische Verantwortung ebenso wie individuelle Handlungsspielräume. Konsumkritik trifft auf smarten Aktivismus.
Der Blick geht dabei über den ökologischen Horizont hinaus. Auch soziale und ökonomische Gerechtigkeit gehören zur Charta des erfüllten Lebens. Denn was nützt die beste CO₂-Bilanz, wenn sie auf Kosten anderer geschieht?
Gemeinschaft statt Einzelkämpfertum
Inmitten von Individualismus zeigen sich neue Formen von kollektiven Lebensentwürfen. Co-Living, solidarische Landwirtschaft, Sharing-Konzepte – wer zur Gen Z gehört, will nicht nur für sich, sondern mit anderen eine bessere Zukunft gestalten. Community zählt.
Das zeigt sich auch im beruflichen Kontext. Hierarchien werden hinterfragt, Führung neu definiert. Leitende Positionen sollen coachen, nicht kommandieren. Der Austausch auf Augenhöhe ist kein Bonus – sondern Voraussetzung für Loyalität. Unternehmen, die starr auf Strukturen beharren, laufen Gefahr, Talente zu verlieren.
Was können Unternehmen, Politik und Gesellschaft lernen?
Diese Generation ist kein verlorenes Rätsel – sondern ein klarer Spiegel unserer Zeit. Unternehmen, die erkennen, wie ernst die Gen Z Sinn, Nachhaltigkeit und Selbstwirksamkeit nimmt, haben mehr Chancen, als sie glauben. Denn Loyalität entsteht nicht durch Gehalt, sondern durch Überzeugung.
Statt die Generation Z in Schubladen zu stecken („faul, empfindlich, überfordert“), lohnt sich der Blick auf ihre Stärken:
- Sie sind reflektiert und kritisch.
- Sie sind sozial engagiert und innovationsfreudig.
- Sie denken systemisch – und wollen gestalten, nicht nur mitlaufen.
Vielleicht ist es an der Zeit, unser Bild vom «erfüllten Leben» neu zu justieren. Weniger als fixe Gleichung aus Karriere + Vermögen = Glück. Sondern als achtsamer, wandelbarer Prozess, bei dem Werte den Weg weisen. Die Generation Z ist auf dieser Reise nicht das Ziel – sondern der Wegweiser.