Klimakrise auf dem Acker: Wie Bäuerinnen und Bauern sich rüsten
Die Auswirkungen des Klimawandels treffen kaum eine Branche so direkt wie die Landwirtschaft. Ob langanhaltende Trockenperioden, plötzlicher Starkregen oder neue Schädlinge – all das beeinflusst nicht nur die Ernte, sondern stellt bewährte Routinen infrage. Doch wie reagieren Landwirte und Landwirtinnen auf diese Herausforderungen?
In der ökologischen und konventionellen Landwirtschaft entstehen derzeit zahlreiche Strategien, mit denen sich Betriebe gegen die Unwägbarkeiten des Klimas wappnen. Wer genauer hinsieht, entdeckt innovative Lösungen, traditionsbewusste Neuausrichtungen und bemerkenswerte Entschlossenheit.
Veränderung beginnt mit Beobachtung
Peter Schmid, Landwirt im Kanton Bern, zeigt auf seine Wetterstation direkt am Feldrand. „Früher habe ich mich auf mein Gefühl verlassen. Heute brauche ich Daten.“ Peter ist nicht der Einzige, der den Blick gen Himmel durch Sensoren und digitale Analytik ergänzt. In Zeiten zunehmender Wetterextreme kann eine exakte Niederschlagsmessung oder Bodenfeuchteanalyse entscheidend sein.
Digitale Helfer unterstützen bei der Früherkennung von Dürren oder Starkregen-Ereignissen – und ermöglichen ein gezielteres Handeln. Dabei geht es nicht um Hightech-Spielereien, sondern um handfeste Informationen, die den Alltag auf dem Hof bestimmen.
Anpassung der Anbaukultur: Weniger Mais, mehr Vielfalt
Wo jahrelang auf Maismonokultur gesetzt wurde, sprießt nun Hirse, Lupine oder Soja. Warum? Viele dieser alternativen Pflanzen kommen besser mit Hitze und Trockenheit klar. Gleichzeitig erhöhen vielfältige Fruchtfolgen die Resilienz des Bodens.
Der Wechsel weg von empfindlichen Sorten hin zu robusteren Kulturen senkt nicht nur das Risiko von Ernteausfällen, sondern fördert auch die Biodiversität. Margaretha Lutz aus dem Zürcher Oberland etwa hat auf ihrem Biohof in den letzten Jahren Quinoa und Hanf versuchsweise angebaut – mit Erfolg. „Ich hätte nie gedacht, dass ich mal auf 700 Metern über Meer Südamerikanisches anbaue“, lacht sie, „aber der Markt dafür wächst – und das Wetter scheint mitzumachen.“
Humus als Klimaretter
Ein gesunder, humusreicher Boden speichert nicht nur Kohlenstoff, sondern auch mehr Wasser. Insofern spielt ihm der Klimawandel gleich doppelt in die Karten. Immer mehr Landwirte setzen deshalb auf regenerative Praktiken:
- Minimaler oder gar kein Pflugeinsatz, um die Bodenstruktur zu erhalten
- Zwischenfrüchte und Gründüngung zur Nährstoffbindung
- Kombination von Viehhaltung und Ackerbau zur natürlichen Düngung
Böden, die leben, sind widerstandsfähiger. Und sie bieten langfristig eine Antwort auf die klimabedingten Schwankungen in Temperatur und Niederschlag. Der Schweizer Boden hat Potenzial – wenn man ihn lässt.
Wasser: Das neue Gold des Ackerbaus
Kaum ein Thema beschäftigt landwirtschaftliche Betriebe so konstant wie die Wasserversorgung. Während in manchen Regionen immer neue Bewässerungsanlagen entstehen, denken andere um: Wie lässt sich das vorhandene Wasser besser speichern und nutzen?
Einige Ansätze dazu sind:
- Mulch- und Direktsaatverfahren, um Verdunstung zu reduzieren
- Terrassierung, um Wasserabfluss zu erschweren
- Anlage von Feuchtzonen als Mikroklima-Puffer
Auch alte Techniken erleben eine Renaissance: In Appenzell experimentiert ein Hof mit traditionellen Wasserrinnen, „Suonen“ genannt, die in früheren Zeiten das Wasser aus Quellen und Bächen auf die Weiden leiteten. Manchmal liegt die Zukunft eben in der Vergangenheit.
Die Rolle von Tierhaltung und Agroforst
Während die Tierhaltung in Bezug auf den Klimawandel oft in der Kritik steht, gehen manche Betriebe bewusst neue Wege. Kombinierte Systeme wie Agroforstwirtschaft verbinden Ackerbau, Viehzucht und Baumkulturen auf derselben Fläche. Das Ergebnis: ein robusteres Ökosystem mit vielfältigem Nutzen.
Bäume spenden Schatten, verbessern das Mikroklima und schützen vor Wind. Das Tierwohl steigt, die Bodenerosion sinkt. In der Romandie berichtet ein Betrieb davon, wie Milchkühe in einem agroforstlichen System produktiver und gesünder wurden – nicht zuletzt, weil sie sich bei 35 Grad im Sommer unter Ahornbäumen zurückziehen konnten.
Bildung und Netzwerke: Wissen teilen statt Spekulieren
Ein einzelner Hof mag dem Klimawandel kaum etwas entgegensetzen können – aber viele gemeinsam sehr wohl. Daher gewinnen landwirtschaftliche Netzwerke, Fachverbände und Forschungskooperationen zunehmend an Bedeutung.
Initiativen wie die „KlimaFarm“ in der Schweiz bringen wissenschaftliche Erkenntnisse direkt zu den Landwirten – und umgekehrt. Offene Hoftage, digitale Plattformen und Erfa-Gruppen sorgen dafür, dass Wissen geteilt wird und erfolgreiche Strategien sich verbreiten.
Karl Bühler, Experte für nachhaltige Landwirtschaft, fasst es treffend zusammen: „Innovation entsteht oft auf dem Feld – nicht im Labor.“
Was Konsumenten jetzt tun können
Landwirtschaft im Wandel betrifft uns alle. Wer heute beim Einkauf auf regionale, saisonale und nachhaltig produzierte Lebensmittel achtet, unterstützt nicht nur lokale Produzenten, sondern trägt zur klimatischen Resilienz der gesamten Lebensmittelkette bei.
Auch Konsument*innen haben es in der Hand, neue Anbausysteme und Experimentierfreude zu fördern – ob durch bewusste Kaufentscheidungen, den Besuch von Hofläden oder das Engagement in solidarischer Landwirtschaft.
Und wer beim nächsten Marktbesuch zufällig Hirse aus dem Emmental entdeckt, darf gerne prüfen: Schmeckt es besser, wenn es dem Klima besser geht?
Fazit? Handeln statt Hoffen
Die Landwirtschaft ist keine Branche, die auf Stillstand ausgelegt ist. Sie lebt vom Wandel, von der Anpassung – und inzwischen auch von der Bereitschaft, Altes infrage zu stellen. Ob mit neuen Kulturen, smarter Technik oder bewusstem Humusaufbau: Der Klimawandel ist real, aber er bringt auch Chancen.
Wer jetzt mutig agiert, macht den ersten Schritt in eine robuste, klimaangepasste Zukunft – mit viel Boden unter den Füßen. Im wahrsten Sinne des Wortes.